Gedicht 2014
Es kommt manchmal der Tod vorbei, und mit ihm Angst und Schrecken.
Doch seine Gnade wunderbar, wollt mir sich nie entdecken.
Da wünschte ich ein Spiel zur Hand, um freudig zu beginnen,
Dies finstre Wunder kindlich frei, als Freund mir zu gewinnen.
-----------------------------------------------------------------------------------------
Zur Ausstellung "Gera/Leise gurgelndes Wasser"
Ein Haushaltschaos und eine Flut.
Beides Nachrichten die mich aus dieser Stadt erreichen. Beides Ereignisse, die sich in einem gemeinsamen Punkt ursächlich treffen. Der Literaturnobelpreisträger Miguel Angel Asturias schreibt (sinngemäß) in einer seiner besten Geschichten: „Das Wasser, ein Wesen voller Kraft und Schönheit... doch wehe wenn es angestaut- gezwungen wird... dann schlägt es seine Augen auf , wird böse und nichts kann seinem Zorn entkommen. „
Der allgemeinen Diskussion zum Thema Flut folgend, frage ich: Hat man etwa gestaut, in zu enge Deiche gezwungen, flusskindliche Wiesen und Auen gesperrt oder sogar verbaut? Ist es daher soweit gekommen, dass aus dem „leise gurgelndem Wasser“ eine böse Flut wurde?
Ganz ähnlich ist wohl auch die Frage im Haushalt zu stellen: Hat man gespart, hat man in große zu feste Projekte investiert und hat man etwa die Gelder für die vielen kleinen Wiesen der Kultur und der Bildung gesperrt (oder verbaut)? Hat man gar behauptet die Kunst sei weniger wichtig? Ist es daher soweit gekommen, dass aus den vielfältigen leise gurgelnden Schwierigkeiten (die ein positives Wachstum immer begleiten) eine böse Flut wurde?
Georg Mann Juli 2013
Gedicht
Auf den Weg von Venedig nach Florenz, Ende Mai 2013:
Roter Mohn treibt vorbei in endlosen Feldern
Ein Strom leuchtend frischen Blutes
ergießt mich
aus dem trüben blau der Lagune
----------------
Die Biennale Hochverrat
Das Blut ein voller Erfolg
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Im kosmischen Bergwerk.
Über die Bildhauerei von Georg Mann
Rede anlässlich der Vernissage der Ausstellung am 18. Mai 2013
Von Ingo Uhlig
Verehrte Gäste, lieber Künstler,
herzlich willkommen in diesem Gewölbe, herzlich Willkommen in diesem unter Tage gelegenen aber dennoch lichten, leuchtenden Raum, der von heute ab für acht Wochen den Ort, den Schauplatz bildet, auf dem insgesamt etwa vierzig Arbeiten von Georg Mann zu sehen sind. Dass dieser Raum eine gut getroffene Wahl ist und dass hier ein wunderbares, den Blick und den Betrachter inspirierendes Umfeld geschaffen wurde, fällt auf den ersten Blick ins Auge. Die neue, die aktuelle Kunst tritt hier in glückliches Verhältnis zu den alten Räumen und Mauern und es zeugt von einem ebenso geglückten Ausstellungskonzept, wenn der Raum zu einem wichtigen Teil, fast zu einem Moderator der Werke und Arbeiten wird
Die neue Kunst und der alte, unter Tage gelegene Raum – diese beiden Elemente treffen, auch dieses Gefühl stellt sich ein, nicht als Kontrast aufeinander, sondern sie treten in eine bemerkenswerte Allianz. Ich möchte Ihnen in den folgenden fünf Minuten eine Art Vorschlag machen, wie diese Allianz zustande kommt, worauf sie baut und auf welchem Weg Kunst und Raum bei Georg Mann zueinander finden. Gibt es vielleicht, so könnte man fragen, gibt es eine Art Wahlverwandtschaft oder Anziehungskraft zwischen diesen Arbeiten und dieser Kammer, diesem Raum hier im Erdinnern?
Ich möchte meine Antwort mit einem biographischen Gedanken beginnen, aber keine Angst, ich gehe nun nicht die Lehr- und Wanderjahre einer Künstlerbiographie mit Ihnen durch, sondern springe noch weiter zurück in eine Zeit, die dem Erwachsenen nur in der Form leuchtender Fragmente überliefert ist. Zu diesem Sprung in die Kindheit qualifiziert mich eine gewisse Zeugenschaft, denn Georg Mann und ich sind beide siebenunddreißig Jahre alt und kennen uns seit nun beinah fünfunddreißig Jahren – wir kannten uns also schon als kleine Kinder. Kurz zurück also in eine Zeit, die wir zusammen verbracht haben und in der wir beide schon rein physiologisch der Erde näher waren, beide nur etwa einen Meter groß.
Ich wurde zu dieser Zeit bereits Zeuge eines bestimmten Talents, keines unbedingt künstlerischen Talents, es ging nicht um Malen, Zeichnen oder etwas irgendwie Musisches. Ich meine etwas anderes: Georg Mann hatte schon früh einen ungemein genauen Blick, ein Gespür für die Dinge, die sich auf dem Boden, die sich auf der Erde, zwischen Gräsern und Steinen verborgen haben. Er fand an den langweiligsten Orten die interessantesten Dinge: Mineralien, Fossile, merkwürdige, die Phantasie anregende Artefakte, Fundsachen, Essbares, Geld...
Wie Sie sehen: Ich meine kein künstlerisches Talent, so etwas zeigt sich später, ich meine eher einen verblüffend genauen, einen erdkundigen, die Erde abtastenden Blick. Dieser Blick findet später Eingang in seine Werke und Ausstellungskonzepte, indem dabei oft ein regelrechtes Hervorgehen der künstlerischen Arbeit aus der Erde inszeniert wird: Georg Mann lässt seine Arbeiten in die Erde oder in ein Straßenpflaster ein, lässt sie von Moosen und Flechten überwuchern, lässt sie versinken. Diese boden- oder erdnahe Kunst verhandelt mit der Figur immer auch eine Entstehungsszene, in welcher sich die Figur gerade aus der Erde oder aus der steinernen Umgebung löst.
Die Inspirationen für diese Arbeiten stammen sicher nicht aus der für uns selbstverständlichen Blickebene – der Augenhöhe; sie stammen nicht aus der uns vertrauten Welt, wie wir sie je nach individuellem Wuchs in einer Höhe zwischen – sagen wir – einmeterfünfzig und einmeterachtzig wahrnehmen. Und wahrscheinlich würde man angesichts jenes Normalblicks bei Georg Mann auf ein grundsätzliches Misstrauen stoßen, denn diese allzu menschliche Perspektive ist zu sehr von den Konventionen und den Sehgewohnheiten unseres Alltags überlagert und solche Gewohnheiten machen es einem stets schwer, Neues zu entdecken. Gerade die Kunst aber gelingt nur dort, wo sich die Perspektiven ändern, wo sich das Auge vom Vertrauten löst und dem Betrachter ein neuer Blick beigebracht wird.
Die Inspirationen für die Arbeiten von Georg Mann kommen, das wäre mein Vorschlag, eher von unten, von der Erde her. Dabei verkleinert sich zwar notwendig der Horizont, aber keineswegs die Vorstellungskraft. Im Gegenteil, manchmal findet das gebettete liegende Haupt einen ganzen Kosmos vor, wie es die wunderbare Parabel des Kissenuniversums zeigt, das seine Herkunft in der romantischen Literatur und im Traumkosmos des Dichters Jean Paul haben könnte.
Wahrscheinlich ist das, was uns Georg Mann hier im Gewölbe des Schloss Neuburg zeigt, ohnehin ein durch und durch romantisches Unternehmen. Diese romantische Lebensader seiner Kunst ist auch der Hauptgrund, weshalb sich das Gewölbe einer alten Burg und diese Arbeiten so gelungen aneinanderfügen.
Ich meine mit Romantik aber natürlich nicht das populäre Verständnis und den Kitsch des Romantischen, sondern ein originelles und einzigartiges Anknüpfen an die historische etwa zweihundert Jahre alte Kunstepoche. Georg Mann teilt die Vorliebe der Romantiker für die Tiefen der Materien, für die Höhlen und die Welten, die sich darin finden lassen. Man kann etwa an den Heinrich von Ofterdingen von Novalis denken, wo sich der Erkundungsgang ins innere der Erde nicht mehr von einem wachen Traum unterscheiden lässt. Vielleicht erinnern sich einige von Ihnen an die Stelle, als in diesem Roman ein alter Bergmann auftritt und sich Heinrichs Reisegesellschaft spontan zu einer nächtlichen mondbeschienenen Expedition ins Erdinnere aufmacht.
Die Kunst, die wir hier um uns herum sehen hat sicher etwas ähnlich Traumhaftes. Damit ist aber nicht gemeint, und das ist ein wichtiger Punkt, dass hier irgendwelche Träume abgebildet werden, die der Künstler oder irgendjemand sonst vielleicht gehabt haben, das wäre wenig originell. Es ist jener romantische Traum, um den es hier geht, ein Traum, der in die Erde eintaucht, der sich in den Verläufen und Verwandlungen der Materien entspinnt, der den Adern des Steins oder dem Fluss geschmolzenen Metalls folgt. Das Gesicht dieser Träumerfigur bleibt zeitloser Stein, ihr Körper ist eine Modulation des Metalls.
In der Tradition dieser naturphilosophischen romantischen Idee behauptet Georg Mann einen sehr originellen Punkt. Und mit Sicherheit findet seine Kunst hier einen dauerhafteren und beständigeren Ort, als zwischen den Produkten und Moden eines magischen Realismus. Hiervon unterscheidet sie sich gekonnt, indem sie immer ganz wesentlich Material: Stein, Erde oder Metall bleibt. Und gerade indem die Arbeiten auf so kunstvolle Weise Material sind, geben sie die stärksten Bilder frei. Kurz gesagt: Alle Magie muss von der Materie ausgehen! – Die neusten Arbeiten, wie die Metallgüsse oder die Steinbüste im vorderen Bereich der Ausstellung bringen diesen Gedanken am reinsten zum Ausdruck: Georg Mann ist ein träumender Bergmann in einem kosmischen Bergwerk.
-------------------------------------------------------------------------------------------
Vorzeit:
Er ist mit dem Blick nach unten geboren.
Georg bedeutet der Landmann.
Seine Eltern wollten ihn für die” Scholle” bestimmt wissen, als sie ihm seinen
Namen gaben.
Seine frühesten Erinnerungen haben mit der Erde zu tun.
Den geheimnisvollen Löchern darin, dem Leben darauf und darunter und
immer wieder mit Steinen.(Bergeweise trug er sie zusammen)
Während zum Beispiel bei den Wanderungen seiner Kindheit alle Menschen
um ihn die Aussichten und Ausblicke lobten, lobte er zeitgleich die Wohnungen
der Bergmäuse, Moosvarianten etc.. Alles andere war ihm nicht sichtbar.
Wenn man seinen Kindheitshorizont beschreiben sollte, dann wie folgt:
“Nie höher als seine Augenhöhe unter seinen Fußsohlen aber weit.”
Er suchte den Himmel unten und fand.
(Auszug Diplomarbeit, G, Mann, 2009)
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Der Aufstand:
Aufrecht stehen verbindet ”oben “und “unten”.
Mal ist der Kopf oben und der Himmel unten,
mal der Himmel oben und der Kopf unten.
Man kann es drehen,
man kann es wenden,
dazwischen bleibt der (weltene)Körper
aus Beinen, Bauch und ach mit Händen.
(Auszug Diplomarbeit, G, Mann, 2009)
------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Immerhin
Von seinem Steinmetzmeister lernte er zum Anfang:
Vom Groben ins Feine, vom Flachen ins Tiefe.
Nie weg.
Immer darauf zu.
Nicht aus dem Wege gehen.
Da bricht die Kante.
“Immerhin.“
So erklärt sich ein Wort.
All so begann der Weg nach innen, denn er nur schafft (ihm)Raum.
(Auszug Diplomarbeit, G. Mann, 2009)
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------